Folgen Sie uns:

Astra Werke Chemnitz 1933 bis 1945

Eine Stadt voller Zwangsarbeiter

Chemnitzer Gedenktafel erinnert an Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte in der NS-Zeit

Das sächsische Chemnitz war in der NS-Zeit wichtiger Standort der Rüstungsproduktion. Ohne KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter war diese nicht aufrecht zu erhalten. Endlich erinnert eine Gedenktafel daran. 

Als die Astra Werke AG im Jahr 1921 in Chemnitz gegründet wurden, ging es um Datenverarbeitung: In dem Betrieb sollte eine Rechenmaschine mit Zehnertastatur entwickelt werden. Im Industriemuseum in Chemnitz wird heute daran erinnert, dass das Vorhaben von Erfolg gekrönt war: Zu sehen sind einige Geräte, die gebaut und 1933 auf der Internationalen Büromaschinenausstellung Berlin stolz präsentiert wurden. 

Nicht erinnert wurde in Chemnitz bisher an ein anderes Kapitel aus der Geschichte der Astra Werke- eines aus einer Zeit, als Buchungsmaschinen für die zivile Nutzung dort kaum noch oder gar nicht mehr hergestellt wurden. Bis September 1943 wurde die Produktion - wie in vielen anderen Betrieben - komplett auf Rüstungsgüter umgestellt. Gefertigt wurden Technik für Lenkraketen, Rechengeräte für die Flugabwehr und, in einem Zweigwerk, monatlich 75 000 Gewehre und Karabiner für die Wehrmacht. Es war ein lukratives Geschäft: 1943 erwirtschafteten die Astra Werke, die im Mai des Folgejahres als NS-Musterbetrieb ausgezeichnet wurden, einen Gewinn von 783900 Reichsmark. Möglich wurde das nur durch massive Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte: überwiegend zwangsverpflichtete Beschäftigte zunächst aus West-, später aus Osteuropa, Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge. Allein 510 Frauen und Mädchen aus dem Konzentrationslager Flossenbürg waren in ein Außenlager verlegt worden, das im 5. Stock des Werksgebäudes in der Altchemnitzer Straße 51 eingerichtet wurde. Sie schufteten unter ständigen Strafandrohungen, bei kärglicher Verpflegung und in strenger Isolation. “Deutsche ! Wahrt inneren und äüßeren Abstand zu Fremdvölkischen!” mahnten Aushänge im Betrieb. Vor 73 Jahren, in der Nacht vom 12. auf den 13. April, wurden die KZ Häftlinge nach Böhmen verlegt, im Platz zu machen für 700 Jüdinnen auf dem Todesmarsch. 

 

Der Jahrestag ist jetzt Anlass, um erstmals in Chemnitz an das dunkle Kapitel örtlicher Industriegeschichte zu erinnern. Am ehemaligen Fabrikgebäude, in dem heute die Landesdirektion Sachsen ihren Sitz hat, wird eine Gedenktafel angebracht. Zum Festakt werden neben der Vizepräsidentin des sächsischen Landtags auch Diplomaten aus Polen und Weißrussland erwartet. 

Die Initiative zur Anbringung der Tafel ging von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN aus; finanziert wurde sie aus Spenden. Der Weg war nicht ganz leicht; Beteiligte berichten von langwierigen Debatten mit der zunächst um Unterstützung gebetenen sächsischen Gedenkstättenstiftung um die Verwendung des Begriffs “Faschismus”. Auch das Rathaus sei um Unterstützung gebeten worden - “leider steht diese bis heute aus”, schrieb die VVN im Februar in einem Brief an mehreren Fraktionen im Stadtrat. Mancher in Chemnitz vermutet einen Zusammenhang zu einem kürzlichen Streit um eine andere Gedenktafel. Die Rotarier hatten eine Ehrung von Carl Hahn angeregt, hochrangige Manager der einstigen Auto-Union. SPD-Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig hatte das zunächst unterstützt. Dann war die Rolle der Auto-Union und von Hahn in der NS-Rüstungswirtschaft thematisiert worden. Auch bei der Auto-Union wurden ausländische Arbeitskräfte in großer Zahl ausgebeutet. Ludwig rückte öffentlich vom zunächst Geehrten ab; am Ende wurde die Tafel entfernt. 

Nun werden statt eines Mittäters die Opfer geehrt - von denen es weit mehr gab als die Astra und Auto-Union Geschundenen. Das verdeutlicht eine Ausstellung, die von der Arbeitsgruppe “Historischer Atlas 1933 bis 1945” erarbeitet wude. Sie wird im Foyer der Landesdirektion gezeigt und weitet den Blick: In Sachsen, heißt es dort, stellten ausländische Arbeitskräfte gegen Ende des Krieges ein Achtel der Beschäftigten. In 40 Rüstungsbetrieben in Chemnitz waren 38 000 Zwangsarbeiter, KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene eingesetzt; sie waren in 130 Lagern im Stadtgebiet sowie weiteren im Umland untergebracht. Die Ausbeutung war allgegenwärtig. Das später einsetzende Vergessen wird dank der Gedenktafel jetzt beendet. 

"ND" vom 12. April 2018 von Hendrik Lasch, Chemnitz

Die Astra-Werke AG -Handlanger der Faschisten

Zwischen Oktober 1944 und April 1945 befand sich im Gelände der Astra-Werke AG, Altchemnitzer Straße 41, ein Außenkommando des KZ Flossenbürg. 510 Frauen und Mädchen, vor allem Russinnen, Polinnen und Italienerinnen, mussten hier Zwangsarbeit für die deutsche Rüstungsindustrie leisten. Sie litten unter den Schikanen der SS-Aufseherinnen, der schlechten Unterbringung und Verpflegung sowie den harten Arbeitsbedingungen. Heute ist kaum noch vorstellbar, unter welchem seelischen Druck, welchen Demütigungen und körperlichen Belastungen die weiblichen KZ-Häftlinge leiden mussten. 
Dem Betrieb wurdeindenAnkündigungslisten nur das Geschlecht, die Häftlingsnummer und das Geburtsdatum der jeweiligen Person mitgeteilt -keine Namen.
Am 24. Oktober 1944 traf der Transport von weiblichen Häftlingen aus dem KZ Auschwitz ein. Die Frauen wurden im geschlossenen Einsatz in zwei Schichten, 12 Stunden pro Schicht, zur Arbeit gezwungen. Arbeitskleidung, Decken, Essgeschirr sowie Essen waren durch die Astra-Werke AG zu stellen. Die Häftlinge erhielten keinen Lohn, aber die Astra-Werke AG musste ein Entgelt von 4,-RM für das Tagwerk unter Abzug der Verpflegung von 0,70 RM pro Häftling an das KZ Flossenbürg abführen. Die Unterbringung erfolgte im 5. Stock des Werkes I auf dreistöckigen Holzpritschen, mit Strohsäcken ohne Bettzeug. Minderwertige Essensrationen, schlechte hygienische Bedingungen, Kälte und Bestrafungen durch die SS-Wachmannschaften gehörten zum Alltag der Häftlinge. Strafen bestanden u. a. aus Schlägen bzw. Essensentzug, meist wegen mangelnder Arbeitsleistung.
Nach dem Bombenangriff auf Chemnitz am 5. März 1945 gab es für einige Tage kein Essen, Hunger, Kälte und Krankheiten, auch Tote durch Unterernährung, waren die Folgen der menschenunwürdigen Verhältnisse. Es gab nachgewiesen zwei Tote, drei Frauen flüchteten und acht wurden ins KZ Ravensbrück.

Als Wachpersonal kamen etwa 40, meist junge weibliche Betriebsangehörige von der Astra-Werke AG zum Einsatz, die für diese Zeit der SS unterstellt waren. Nur wenige Frauen meldeten sich freiwillig, viele Frauren wurden unter Androhung von Strafen durch die Betriebsleitung gezwungen, Mitte August 1944 an einem „Lehrgang“ im KZ
Ravensbrück teilzunehmen. Die Ausbildung dauerte nur wenige Tage. Von dort wurde ein Teil als SS-Aufseherinnen in das KZ-Außenlager von Buchenwald, nach Leipzig-Schönau,
und ein anderer Teil in das im Aufbau befindliche Außenlager des KZ Flossenbürg, zur "Freia" nach Freiberg, abkommandiert. Erst Ende 1944 bzw. Anfang 1945 kamen die
meisten Frauen als SS-Aufseherinnen wieder bei der Astra-Werke AG zum Einsatz.

In der Nacht vom 12. zum 13. April marschierten die Häftlinge unter strenger Bewachung durch Chemnitz zum Güterbahnhof Hilbersdorf. Am 14. April 1945 fuhren sie
in zehn vollkommen verschlossenen Güterwagen nach Leitmeritz (Litomerice). Sie standen in diesem Güterzug einen ganzen Tag und eine ganze Nacht auf dem Güterbahnhof
Hilbersdorf. Es gab weder Sitzgelegenheiten noch Stroh. Sie waren so eng eingepfercht, dass sie sich während der ganzen Fahrt nicht legen konnten. Von Leitmeritz (Litomerice)
marschierten sie zu Fuß nach Hertine, wo sie bis zur Befreiung in einer Munitionsfabrik arbeiten mussten. Es kam in dieser Munitionsfabrik bei den Frauen zu Vergiftungen,
teilweise mit tödlichem Ausgang. Die Anzahl der Toten ist aus den Zeugenberichten nicht ermittelbar.

NS-Terror und Verfolgung in Sachsen

Dr. Hans Brenner und seine 50 Mitstreiter haben ein umfangreiches Werk über die Anfänge der Konzentrationslager in Sachsen vorgelegt.

Die Neuerscheinung der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung wirft ein neues Licht auf die Zeit der Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 in Sachsen. Zu den Themen zählen das System der Frühen Konzentrationslager von 1933 bis 1937 (mit mindestens 80 sächsischen Städten und Gemeinden), die politischen Prozesse gegen Gegner des NS-Systems, Opferschicksale aus den verschiedenen Verfolgten-Gruppen und die als Todesmärsche bezeichneten Evakuierungsmärsche aus Konzentrationslagern und deren Außenlagern ab Herbst/Winter 1944 über sächsisches Territorium. 

Mit einem umfangreichen Datenanhang und vier thematischen Karten liefert das Buch neuestes Forschungsmaterial für die sächsische Heimat- und Landesgeschichte.

Brenner, Hans / Heidrich, Wolfgang / Müller, KlausDieter / Wendler, Dietmar (Hrsg.) NS-Terror und Verfolgung in Sachsen.
Von den Frühen Konzentrationslagern bis zu den Todesmärschen Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, Dresden 2018, 624 S

Von Leipzig über Waldheim nach Buchenwald vom Anarchosyndikalisten zum Kommunisten

Erinnerungnen von Richard Thiede (1906 - 1990) Herausgegeben von Gert Thiede 

Zu diesem Bericht Im Januar 1984, mit bereits 78 Jahren, hat mein Vater versucht, sein persönliches Leben schriftlich festzuhalten.
Sein Ziel war es, die Erinnerungen einmal in einer Schrift zusammenzufassen und der Öffentlichkeit oder einem Museum zur Verfügung zu stellen. Dabei kam es ihm vor allem darauf an, die in Zeiten politischer Engstirnigkeit mancher Funktionäre, ihre abwertende und abweisende Einschätzung zum Wirken der Freien-Arbeiterunion-Deutschlands (FAUD) in der Betrachtung der Arbeiterbewegung richtig zu stellen. ....